Instrumente und Kunst – Zwei Sammlungen im Einklang

Eine Begegnung mit den Kuratorinnen der österreichischen Nationalbank

Als Zen­tral­bank der Repu­blik Öster­reich dre­hen sich die Kern­auf­ga­ben die­ser Insti­tu­ti­on vor­der­grün­dig natür­lich um The­men wie Geld­po­li­tik, Finanz­markt­sta­bi­li­tät, Bar­geld, Sta­tis­tik und Zah­lungs­ver­kehr. Dringt man tie­fer ein, so ent­deckt man eine Zen­tral­bank, die sich ihrer Rol­le als Vor­bild und Impuls­ge­be­rin äußerst bewusst ist und auch danach han­delt. Neben Wis­sen­schaft, For­schung und Nach­hal­tig­keit för­dert die OeNB Kunst und Kul­tur, indem sie seit 1989 wert­vol­le Samm­lungs­be­stän­de auf­baut und die­se in ihrer Rol­le als Leih­ge­be­rin der Öffent­lich­keit zugäng­lich macht.

Im Geld­zen­trum, ent­wor­fen vom Archi­tek­ten Wil­helm Holz­bau­er, in der Gar­ni­son­gas­se in Wien tref­fen wir die ver­ant­wort­li­chen Kura­to­rin­nen Bri­git­te Nei­der-Olufs und Chia­ra Gal­bu­se­ra, um einen umfang­rei­che­ren Ein­blick in die Kunst- und Instru­men­ten­samm­lung zu erhal­ten. Bereits im Ein­gangs­be­reich hat man die Gele­gen­heit, sich mit beein­dru­cken­den Kunst­ge­gen­stän­den aus­ein­an­der­zu­set­zen: Erwin Wurm, Her­bert Brandl, Alfred Hrdli­cka. »Das blaue Tor« von Edu­ard Ange­li erstreckt sich 12 Meter über meh­re­re Stock­wer­ke in die Höhe und sorgt sicher nicht nur bei uns für Ver­blüf­fung. Am unte­ren Rand schim­mert es gol­den durch einen Spalt. »Laut dem Künst­ler steht das Tor schüt­zend vor Wer­ten, die sich dahin­ter befin­den, das kann Geld oder auch Gold sein«, schil­dern die Kuratorinnen.

Im Gespräch mit den Kura­to­rin­nen Bri­git­te Nei­der-Olufs und Chia­ra Gal­bu­se­ra, Fotos: Mat­thi­as Heschl

Das groß­zü­gig ange­leg­te licht­durch­flu­te­te Stie­gen­haus mit sei­ner zurück­neh­men­den moder­nen Archi­tek­tur eig­net sich her­vor­ra­gend, um groß­for­ma­ti­ge Wer­ke in Sze­ne zu set­zen. Selbst­ver­ständ­lich ist das Feu­er der Neu­gier­de nun ent­facht und wir neh­men nicht den Auf­zug, son­dern genie­ßen lie­ber den ver­ti­ka­len Auf­stieg von Werk zu Werk zu Werk. »Die Errich­tung die­ses Gebäu­des«, erzählt uns Nei­der-Olufs, »war 1998 zugleich Anlass, die Samm­lungs­tä­tig­keit auf zeit­ge­nös­si­sche Kunst aus­zu­wei­ten. Die­se Räum­lich­kei­ten bie­ten die idea­le Flä­che für gro­ße Skulp­tu­ren und zeit­ge­nös­si­sche Gemäl­de.« Seit­dem wer­den bedeu­ten­de Wer­ke öster­rei­chi­scher Posi­tio­nen ange­kauft, die die Kunst­land­schaft nach 1945 nach­hal­tig geprägt haben, und auch Arbei­ten von Vertreter:innen wich­ti­ger Strö­mun­gen wie des öster­rei­chi­schen Infor­mel, des Rea­lis­mus, der Neu­en Wil­den sowie Wer­ke jun­ger Künstler:innen.

Mit dem Samm­lungs­auf­bau begon­nen hat die Oes­ter­rei­chi­sche Natio­nal­bank schon Ende der 1980er Jah­re und zwar mit Wer­ken öster­rei­chi­scher Maler:innen der Zwi­schen­kriegs­zeit (1918–1939). »Damals hat sich Prof. Rupert Feucht­mül­ler bei der Defi­ni­ti­on des Samm­lungs­kon­zepts bewusst für eine Epo­che ent­schie­den, die im Schat­ten des Wie­ner Jugend­stils ste­hend, kaum Beach­tung fand und auch in den Muse­en eher dürf­tig ver­tre­ten war«, erklärt Nei­der-Olufs. In den letz­ten 30 Jah­ren wur­den mehr als 150 Wer­ke von rund 50 öster­rei­chi­schen Kunst­schaf­fen­den die­ser Zeit ange­kauft und zu einer Samm­lung zusam­men­ge­führt, die auf­grund die­ser stra­te­gisch gut gewähl­ten Epo­che zugleich auch eine beacht­li­che Wert­stei­ge­rung erfah­ren durf­te. »In jün­ge­rer Zeit hat die OeNB schwer­punkt­mä­ßig Gemäl­de der Neu­en Sach­lich­keit ange­kauft«, erfah­ren wir von der Kura­to­rin. Die Neue Sach­lich­keit war ein wich­ti­ger Kunst­stil die­ser Zeit, der sich durch eine distan­zier­te, sach­li­che Dar­stel­lung der Din­ge aus­zeich­ne­te und in Öster­reich spe­zi­ell aus­ge­prägt war. »Eini­ge typi­sche Wer­ke musea­ler Qua­li­tät von Gre­ta Freist, Karl Hauk, Vic­tor Planckh, Her­bert Plober­ger, Her­bert Reyl-Hanisch, Franz Sedlacek und Rudolf Wacker befin­den sich in unse­rer Samm­lung«, freut sich Nei­der-Olufs. Her­bert Plober­gers »Auf dem Tisch unter dem Tisch« von 1925 ist bei­spiels­wei­se erst vor kur­zem ange­kauft wor­den. »Ges­tern wur­de es in einem der Büros gehängt«, ver­rät sie. Als Kura­to­rin hält sie unun­ter­bro­chen Aus­schau nach poten­ti­el­len Wer­ken und infor­miert sich bei Auk­ti­ons­häu­sern und Händ­lern sowie über zeit­ge­nös­si­sche Posi­tio­nen auch direkt in den Ateliers.

Die defi­ni­ti­ve Ent­schei­dung über einen Ankauf fällt das Gre­mi­um. »Mag. Karo­la Kraus, Dr. Klaus Albrecht Schrö­der und Mag. Hans-Peter Wipp­lin­ger sind in ihrer Bera­ter­funk­ti­on Teil des Gre­mi­ums. In die­sem Gre­mi­um wur­de bei­spiels­wei­se vor etwa fünf Jah­ren auch beschlos­sen, dass wir uns, was die Zeit nach 1945 betrifft, auf die Abs­trak­ti­on kon­zen­trie­ren.« Vor nicht all­zu lan­ger Zeit ist die­ser Schwer­punkt unter ande­rem um Wer­ke von Sven­ja Dei­nin­ger, Julia Hau­ge­neder, Sebas­ti­an Koch, Con­stan­tin Luser, Ute Mül­ler, Flo­ri­an Schmidt und Cle­mens Wolf erwei­tert wor­den. Als Kura­to­rin der Kunst­samm­lung enga­giert sich Bri­git­te Nei­der-Olufs neben dem Ankauf auch für den gesam­ten Leih­ver­kehr, und der ist sehr umfas­send. Sie zeigt uns eine Lis­te, in der alle Leih­ga­ben der letz­ten Jah­re auf­ge­führt sind und die­se ist beacht­lich. Eine der­ar­ti­ge Form der Unter­stüt­zung ist eine bewuss­te Ent­schei­dung, denn die Wer­ke der Samm­lung sol­len der Öffent­lich­keit zugäng­lich gemacht wer­den. »So gelingt ein posi­ti­ver Aus­tausch mit inter­na­tio­na­len Aus­stel­lungs­häu­sern und Muse­en, wir tra­gen öster­rei­chi­sches Kul­tur­gut in die Welt hin­aus und als OeNB bekom­men wir zugleich Sicht­bar­keit«, sagt die Kura­to­rin. Und auch den Mitarbeiter:innen, so erfah­ren wir im Gespräch, ist es erlaubt, Wer­ke für ihre Büro­räum­lich­kei­ten aus­zu­lei­hen. »Es gibt über­aus vie­le kunst­in­ter­es­sier­te Kolleg:innen, die sehr auf­merk­sam mit­ver­fol­gen, was sich in der Samm­lung tut, sich für die ein­zel­nen Wer­ke, aber auch die Wer­te und die Wert­stei­ge­rung inter­es­sie­ren. Es gibt dazu eine akti­ve inter­ne Kom­mu­ni­ka­ti­on sowohl über Leih­ga­ben als auch Neu­an­käu­fe, das gilt für die Kunst- und die Instru­men­ten­samm­lung gleichermaßen.«

Letz­te­re fand ihren Anfang 1989 anläss­lich der Her­aus­ga­be der ers­ten öster­rei­chi­schen Gold­an­la­ge­mün­ze »Wie­ner Phil­har­mo­ni­ker« mit dem Ankauf von vor­erst drei Instru­men­ten. »Mitt­ler­wei­le besteht die Samm­lung aus 45 hoch­wer­ti­gen Instru­men­ten, dar­un­ter neun Vio­li­nen von Anto­nio Stra­di­va­ri, zwei Vio­li­nen von Giu­sep­pe Guar­ne­ri del Gesù sowie einer Vio­li­ne des gro­ßen Tiro­ler Gei­gen­bau­ers Jacob Stai­ner«, erklärt Chia­ra Gal­bu­se­ra, die sich als Kura­to­rin haupt­säch­lich die­sem Teil der Samm­lun­gen wid­met. Das beein­dru­cken­de an der his­to­ri­schen Samm­lung ist die Tat­sa­che, dass 42 der 45 Instru­men­te der­zeit gespielt wer­den. »Sie wer­den öster­rei­chi­schen Musiker:innen zur Ver­fü­gung gestellt, die sich auf­grund der extrem hohen Wer­te, ein solch beson­de­res Instru­ment nicht leis­ten könn­ten. Wir för­dern somit die klas­si­sche Musik­sze­ne Öster­reichs und leis­ten einen akti­ven Bei­trag«, unter­streicht Galbusera.

Es ist der OeNB ein gro­ßes Anlie­gen, die­se Instru­men­te nicht in Tre­so­ren ruhen zu las­sen, son­dern öster­rei­chi­schen Musiker:innen stän­dig zu Ver­fü­gung zu stel­len. Im Lau­fe der Jah­re konn­ten – nicht zuletzt wegen die­ser För­de­rung – vie­le Künstler:innen eine inter­na­tio­na­le Kar­rie­re star­ten und den Ruf Öster­reichs als Musik­land stär­ken. Mit­glie­der von bedeu­ten­den öster­rei­chi­schen Orches­tern und Kam­mer­mu­sik­ensem­bles, aber auch vie­le Solist:innen kon­zer­tie­ren auf Instru­men­ten aus die­ser Samm­lung. »Die Instru­men­te brau­chen die mensch­li­che Nähe, es sind Objek­te, die in Schwin­gung blei­ben müs­sen und den Kon­takt mit dem Kör­per mögen. Es ist beein­dru­ckend, wel­che inni­ge Bezie­hung die Musiker:innen zu ihren Instru­men­ten ent­wi­ckeln und auch über­ra­schend, dass es dem Gre­mi­um immer wie­der gelingt, die rich­ti­ge Per­son mit dem rich­ti­gen Instru­ment in Ver­bin­dung zu brin­gen«, freut sich Gal­bu­se­ra. Zwei­mal im Jahr wer­den die Vio­li­nen über­prüft, um sicher zu gehen, dass alles in Ord­nung ist und even­tu­el­le Gefah­ren früh genug erkannt wer­den kön­nen. Auch in Sachen Pro­ve­ni­enz legt man auf eine lücken­lo­se For­schung und Doku­men­ta­ti­on gro­ßen Wert. Das hat beim Ankauf obers­te Prio­ri­tät. »Wenn wir einen Ankauf ins Auge fas­sen, das pas­siert im Übri­gen nicht so regel­mä­ßig wie in der Kunst­samm­lung, son­dern auf­grund der gro­ßen Inves­ti­ti­ons­sum­men in grö­ße­ren Abstän­den, dann erfolgt eine Aus­schrei­bung nach stren­gen Kri­te­ri­en. Die Bieter:innen müs­sen sich bereit erklä­ren, das Instru­ment zur Ver­fü­gung zu stel­len und es fin­det ein Blind-Hea­ring statt, um ein exak­tes Ran­king zu erar­bei­ten. Hier kann es schon mal sein, dass ein Instru­ment, obwohl erst­ge­reiht, dann auf­grund einer Lücke in der Pro­ve­ni­enz nicht ange­kauft wird«, schil­dert die Kura­to­rin. Auch in Sachen Nach­wuchs­för­de­rung ist die Zen­tral­bank sehr aktiv. Die letz­ten vier Vio­li­nen, die ange­kauft wur­den, ste­hen Stu­die­ren­den in Wien, Graz und Salz­burg zur Ver­fü­gung. Drei Jah­re gilt die­ser Leih­ver­trag ohne Ver­län­ge­rungs­op­ti­on, damit eben nur der Nach­wuchs im Fokus steht und zwar nachhaltig.

Abschlie­ßend füh­ren uns die Kura­to­rin­nen in die Men­sa. Dort hängt ein 15 Meter brei­tes Werk von Hel­mut Dit­sch mit dem Titel »Das Gebir­ge«. Dit­sch gewann 1997 den Wett­be­werb der Natio­nal­bank, der im Zuge des Neu­baus aus­ge­schrie­ben wur­de, und bekam den Auf­trag, die­ses Gemäl­de zu malen. Ursprüng­lich soll­te er die Wie­ner Ber­ge malen, doch er emp­fand die­se eher als Hügel und woll­te viel lie­ber ein uni­ver­sel­les öster­rei­chi­sches Gebir­ge malen. Letzt­end­lich wur­de es eine Stu­die der Tiro­ler Alpen. Der Blick von der Nord­ket­te in Inns­bruck Rich­tung Stu­bai­tal. Mit­ten in Wien, in einer Men­sa, steht man plötz­lich ganz oben am höchs­ten Gip­fel und genießt den atem­be­rau­ben­den Blick, die ver­dien­te Beloh­nung nach den Anstren­gun­gen des Auf­stiegs. Wohl auch eine schö­ne Meta­pher für die Samm­lungs­vi­si­on der Oes­ter­rei­chi­schen Nationalbank.

Der Arti­kel ist in der Print-Aus­ga­be 3.22 REFLECTION erschienen.

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