Interview mit Tom Mögele
Jeder von uns kennt sie, die Megatrends Gesundheit, Mobilität, Netzwerk, Nachhaltigkeit, Wissenskultur, Gender Shift und Best Ager. Ein Megatrend ist eine langfristige Entwicklung, die für alle Bereiche von Gesellschaft und Wirtschaft prägend ist. Die Halbwertszeit der Megatrends beträgt anders als bei modischen Erscheinungen 25 bis 30 Jahre. Jeder von uns eilt in einer Weise den Megatrends hinterher und versucht Teil dieser zu werden. Wir wollen perfekt sein, wir wollen gesund leben, wir wollen „connected“ sein und ganz nebenbei ein glamouröses Leben, unkompliziert und im Rahmen der Mode und des uns vorgegebenen Schönheitsideales führen. Dafür machen wir schon ganz schön viel.
Wir versuchen Arbeit zu finden, die uns möglichst schnell viel Geld einbringt und uns natürlich die nötige Work Life Balance bietet. Wir treiben Sport, lassen uns verschönern und schaffen Fassaden, die am Ende alle gleich aussehen. Doch wo sind wir in dieser glamourösen Welt? Wir als Menschen und Individuen? In all den Abläufen und Entwicklungen merken wir zuweilen bewusst oder auch unbewusst, dass irgendetwas in uns rebelliert, dass wir trotz all dem vermeintlichen „Glamour“ unglücklich und traurig sind. Dass all der „Glamour“ unseren Hunger und Durst nicht stillen kann. Warum ist das so, wo wir doch alles dafür getan haben, unser Äußeres zu verschönern und uns an die Vorgaben der Megatrends anzupassen? Um Antworten auf unsere vielen Fragen zu erhalten, stand uns Tom Mögele für ein Interview zur Verfügung.
Was bedeutet glamourös?
Im Lexikon finden wir hier glanzvoll und strahlend. Assoziationen wie Anziehungskraft, Aura, Magie, bezaubernd, fantastisch und inspirierend werden hier aufgeführt.
Wann entstehen Anziehungskraft, Magie und Aura?
Doch nicht, wenn ich die Stärken meines Individuums verleugne und versuche eine oder ein anderer zu sein, der ich eigentlich bin. Glamourös ist ganz bestimmt, wenn ich mich selbst gut leiden kann, mich ohne Einschränkungen schön finde und dadurch eine glamouröse Ausstrahlung habe. Wenn wir aus dem Wollen flüchten in die eigene Kraft, unsere Stärken und Schwächen kennenlernen dürfen und dadurch Zeit für uns selbst gewinnen. Zeit, die wir sonst für die Recherche von Megatrends und Therapien benötigt hätten.
Was macht uns solche Angst uns selbst in die Augen zu sehen und mit uns selbst zu sein? Warum brauchen wir ständig Feedback von außen?
Wir könnten uns doch ein wenig in die Langeweile und Stille begeben und daraus den glamourösen Naturplan erkennen. Glamouröse Dinge entstehen in der Natur, im Flow, in der Ruhe, wie von selbst, ohne dass wir etwas getan oder gemerkt haben. Ein Baby ist in jeder Hinsicht ein Wunder und glamourös. Ein schneebedeckter Gipfel auch.

Was hat die Vertreibung aus dem Paradies mit Glamour zu tun?
Tom, was ist für dich Glamour?
Glänzendes Auftreten, ohne auf das Feedback von anderen angewiesen zu sein. Oder es meint i.e. = It est, benessere = besseres Sein. Das Ziel aller Machtmanipulationen ist es, dem Menschen den Glamour zu nehmen.
Das bedeutet?
Nehmen wir ein einfaches Beispiel: die Vertreibung aus dem Paradies. Adam und Eva. Beide waren für sich glamouröse Menschen, bis die Schlange (EGO) kam und Ihnen erzählte, dass sie nackt waren. Also fingen sie an ihre Scham mit einem Feigenblatt zu bedecken. Aus diesem Feigenblatt erwuchsen die Modebranche und ein Schönheitsideal. Was dann kommt, wissen wir. Fassaden, die wir nicht mehr unterscheiden können. Die äußerliche Vereinheitlichung aller Menschen, generelle Standards und damit die Suche der Menschen nach sich selbst. Der Zwang etwas machen zu müssen und etwas dringend zu wollen.
Wir sind also Opfer des Sündenfalls?
Individualität und Selbstvertrauen und damit die glänzende Ausstrahlung eines Babys schwinden, wenn jemand sich selbst nicht treu ist. Angenommen jemand gibt sich 40 Jahre tagein und tagaus dem gleichen Tagesablauf hin. Hat er sich dazu aus freien Stücken hingegeben und genießt er dies, dann kann es glamourös sein. Denken Sie an das einfache Leben eines Almöhis. Das kann einfach brillant sein. Hat sich im Gegenteil dazu jemand den Tagesablauf aufgezwungen, dann ist er fremdbestimmt und nicht glamourös.
Was bedeutet für dich Tom, sich treu zu sein?
Sich selbst treu zu sein heißt nach seinen eigenen Ansichten zu leben, seinen eigenen Weg zu gehen. Also nach seiner Fasson zu leben. Das Wort Fasson hat viele Bedeutungen wie zum Beispiel Weg, Form, Manieren, Verarbeitung… Wir verarbeiten erlebtes und erziehen uns selbst so, wie wir es für richtig erachten und wie es sich für uns gut anfühlt. Man könnte auch sagen wie es unserem großartigen von Natur gegebenen Lebensplan entspricht. Wir können alles tun, was wir selbst für uns zulassen und aus unserer Sicht selbst dürfen.
Das heißt im Umkehrschluss aber doch, dass wir uns alle zu Egoisten entwickeln würden?
Nein, das bedeutet nach seiner Fasson leben nicht. Wenn jeder Mensch nach seiner Fasson leben würde, würden alle sehr bewusst und achtsam mit sich umgehen. Es würde nur noch Menschen geben, die auf jeden anderen Menschen eingehen könnten, weil sie selbst wüssten, wie schwer es ist, sich selbst zu erziehen und auf sich zu achten. Eine wunderbare Vorstellung, ein großartiges Ziel. Das ist wie ein perfektes Gemälde.
Der Künstler, der sein Bild malt und damit eine perfekte Schöpfung generiert. Glamourös wie nur die Natur oder das Göttliche es schaffen könnte?
Nun ja. Ein Künstler legt im optimalen Fall sein ganzes Inneres in ein Kunstwerk. Für den Künstler ist das Kunstwerk immer glamourös, für den Außenstehenden bedarf es oft einer unvoreingenommenen Betrachtungsweise, um zu verstehen oder zu fühlen, was der Künstler meint. Glamour heißt „der Glanz“ ursprünglich wohl aus dem Schottischen und dort bedeutete es einen Zauberspruch oder eine Verhexung. So ist es, dass der oder die oder das Glamouröse seine Umgebung „verhext“ und alle finden es glamourös.
Jeder kennt Marilyn Monroe (Hot Pink) von Andy Warhol. Heißt das nun, dass dieses Bild mich als Betrachter verhext?
Ich bin der Meinung ja, das ist der Fall! Andy Warhol hat es geschafft seine Energie in den Glamour des Bildes hineinzuarbeiten, so dass jeder, der das Bild betrachtet davon in seinen Bann gezogen wird. Jetzt wäre es aber falsch zu behaupten Andy Warhol wäre der erste, der diese Kunst beherrschte. Die alten Meister, wie Michelangelo lebten davon, die Gabe zu haben, ihre Gemälde (und dadurch die gemalten Fürsten, Päpste, Engel, Gott) in Glamour erscheinen zu lassen. Wer schon einmal die Sixtinische Kapelle besucht hat, wird dem beipflichten.
Bedeutet dies: je besser ein Künstler „Glamour kann“, desto erfolgreicher wird er sein?
Nun, ich bin kein Kunstexperte und habe hier nur ein sehr kleines Wissen, aber ich würde diese Annahme vollends bejahen. Wir reden ja in der heutigen Zeit nicht nur von Malern oder Bildhauern, stattdessen geht es für viele um ihr Lebenskunstwerk bzw. das Kunstwerk des Lebens. Und hier schließt sich der Kreis zu den Fassaden und Masken. Wer schon einmal in Venedig war, kennt die kunstvoll verzierten Masken. Ich habe seit meiner Jugend Freunde in Venedig, welche erst als Nebenverdienst und jetzt aus purer Freude diese Masken verzieren. Hier ist an den Masken sehr schnell zu erkennen, ob sie von jemandem geschaffen wurden, der der Kunst ihren Lauf gelassen hat, oder ob sie von jemandem „bemalt“ wurden. Und jetzt kommt der Trick: die glamouröse Maske sorgt dann dafür, dass ihr Träger oder ihre Trägerin ebenfalls glamourös wirkt (nicht unbedingt ist). Wenn dann die Maske fällt, liegt es an dem Menschen hinter der Maske, ob das Glamouröse bleibt oder mit der Maske geht.
Das ist ja nun fast schon philosophisch. Ich habe angenommen, dass Glamour philosophisch sein kann. So scheint Glamour ja zwei Seiten zu haben, die vordergründige und eine „versteckte“ Seite, die anscheinend die ausschlaggebende ist.
Genau das ist der Punkt: hinter dem vordergründigen Glamour, ich nenne das Fassade, steckt die hintergründige Philosophie des richtigen Glamours. Dies bedeutet, dass ein Mensch, der sich nur mit den Fassaden des Glamours beschäftigt, nicht am Leben teilnimmt und immer nur reagieren muss auf das Äußere. Der richtig glamouröse Mensch kann glamourös sein, indem er so ist wie er im Inneren ist und das auch bedingungslos nach Außen lebt. Da gibt es keine Fassaden mehr, der Mensch IST.