
Sie gilt als Kunst-Komplizin aus Leidenschaft und als unschlagbare Netzwerkerin. Vor 15 Jahren initiierte Andrea von Götz und Schwanenfliess im geschichtsträchtigen Bad Gastein das Festival sommer.frische.kunst, das diesen Sommer vom 26. Juni bis 31. August sein großes Jubiläum feiert.
Interview: Uta Gruenberger
Bad Gastein ist schon für sich ein Gesamtkunstwerk: eindrucksvolle Natur, historische Heilquellen, ein tosender Wasserfall mitten im Ortskern und eine Reihe architektonischer Zeitzeugen aus der Belle Époque. Kein Wunder, dass sich Andrea von Götz gerade hier dazu entschloss, einen Ort für zeitgenössische Kunst zu schaffen – fernab vom Trubel der Metropolen, aber mit umso mehr Charisma.
Uta Gruenberger: Andrea, wie kam es zur sommer.frische.kunst vor 15 Jahren? Was verbindet dich mit Bad Gastein?
Andrea von Götz: Ich habe Bad Gastein bei privaten Aufenthalten kennen und lieben gelernt – die Natur, die Geschichte, aber auch die vielen Leerstände, die fast danach schrien, neu gedacht zu werden. Es war sofort klar: Das ist kein Ort für schnellen Tourismus – das ist eine Bühne, ein Möglichkeitsraum.
Damals gab es erste zaghafte Kunstinitiativen, doch mir schwebte etwas anderes vor – ein langfristig angelegtes Artist-in-Residence-Format, bei dem Künstlerinnen und Künstler wirklich eintauchen: in die Landschaft, in die Geschichte und in den Dialog mit den Menschen hier.
Mit einer Carte Blanche in der Hand und unbändiger Begeisterung begann so meine Reise als künstlerische Leiterin der sommer.frische.kunst. Ich entdeckte das Kraftwerk am Wasserfall im Quellpark – eines der vielen leerstehenden Häuser, die nur darauf gewartet hatten, wieder zum Leben erweckt zu werden. Ich wusste sofort: Das ist unser Ort für Kunst. Im darauffolgenden Sommer fand die erst Residence statt .
UG: Das klingt sehr visionär – war es von Beginn an so professionell aufgestellt?
AvG: Zeitgenössische Kunst auf 1000 Höhenmetern – ganz am Rande des Tales – stellte mich vor eine große Herausforderung. Doch gerade dieser besondere Ort war wie geschaffen dafür, den Menschen Raum zu geben, zu sich selbst zu finden, ihre Kunst zu leben und eine Ruhe zu entdecken, die in der pulsierenden Stadt, umgeben von Hektik, Lärm und verführerischem Trubel, kaum möglich war. Hier sollte nicht nur Kunst gezeigt werden – Künstler sollten hier heimisch werden, leben, arbeiten und sich inspirieren lassen.
Gedacht – gemacht! Mit der großartigen Unterstützung des Tourismusverbands und engagierten Hoteliers, die schon lange den etwas anderen Spirit von Bad Gastein in die Welt tragen, starteten wir 2011 die erste Kunstresidenz im Kraftwerk am Wasserfall. Es war ein aufregender Sommer, in dem alle gespannt auf die Künstler, das Miteinander und die Magie warteten, die in jedem neuen Anfang liegt.
Die erste Kunstresidenz fühlte sich an wie ein großer Familienausflug – voller Freude, gemeinsamer Erlebnisse und unvergesslicher Momente. Es war herrlich. Es folgten weitere Artists in residence- spannende Ausstellungen und immer wieder das zauberhafte Zusammenkommen unterschiedlichster Menschen an diesem außergewöhnlichen Ort.
UG: Wer hat das Projekt mitgetragen – gibt es ein Kernteam?
AvG: Unbedingt. Neben dem Tourismusverband sind Persönlichkeiten wie Evelyn und Ike Ikrath oder Olaf Krohne mit Herzblut dabei. Sie haben mitgeholfen, das Festival zu dem zu machen, was es heute ist: ein Treffpunkt der Kultur- und Medienwelt, besonders zum Auftaktwochenende. Sie alle vereint ihre Leidenschaft als Gastgeber und ihre Liebe zur Kunst. Die Idee des Festivals wurde weitergetragen und so unterstützen uns heute selbstredend die neuen Hoteliers vor Ort ebenso wie die Handwerker und Geschäftsleute in Bad Gastein. Zu denken wäre die sommer.frische.kunst aber auch nicht ohne ein festes Kernteam für das Projektmanagement, die Kommunikation und die Visuelle Gestaltung, dass uns bereits seit Jahren unterstützt.
UG: Gab es auch Gegenwind?
AvG: Klar – zeitgenössische Kunst polarisiert. Es wäre wohl einfacher gewesen, ein Musikfestival zu machen. Aber gerade diese Reibung hat viel bewegt. Der Ort hatte Fragen aufgedrängt: Warum stehen all diese Häuser leer? Warum passiert hier nichts? Unsere Künstler haben diese Räume neu besetzt – das hat die Perspektive verändert. Plötzlich waren Leerstand und Patina kein Manko mehr, sondern Charmefaktor. Ein bisschen wie Berlin in den 1990ern.
UG: Neben dem Kraftwerk kamen später weitere Orte dazu?
AvG: Ja, in den vergangenen 15 Jahren haben wir uns stetig weiterentwickelt: Mit der art:badgastein, einer Kunstmesse, die mittlerweile ein fester Bestandteil der Kunstszene ist, mit Kunst im öffentlichen Raum, unserer Academy und zahlreichen Masterclasses haben wir Bad Gastein zu einem Hotspot für zeitgenössische Kunst in den Alpen gemacht.
Das Kraftwerk bleibt und ist das Herzstück der sommer.friche.kunst. Dann kam der Radon Pavillon an der Kaiser-Wilhelm-Promenade dazu – durch die Unterstützung von Evelyn und Ike Ikrath. Dieses Jahr bespielen wir wieder das alte Hotel Astoria – dort fanden bereits großartige Ausstellungen statt, etwa mit Lars Eidinger. Auch unsere Kunstmesse art.badgastein findet 2025 dort statt – mit spannenden internationalen Galerien, die uns und dem Ort eng verbunden sind.
Nicht zu vergessen ist die Kunst im öffentlichen Raum mit den Arbeiten von Olaf Holzapfel und Kazunori Kura im Hohe Tauern Nationalpark, ganz oben in Sportgastein. In diesem Jahr freue ich mich schon auf Theresa Hattinger und Pegasus Product , die ihre Installationen auf dem Graukogel präsentieren.
UG: Wie sieht das Jubiläumsprogramm aus?
AvG: Anlässlich des Jubiläums dürfen sich die Festivalgäste auf einige spannende Rückkehrer freuen: Künstlerinnen und Künstler aus aller Welt, die bereits in der Vergangenheit Teil der sommer.frische.kunst waren, kommen zurück an diesen Ort der Inspiration und bringen Werke mit, die von Bad Gastein und seiner einzigartigen Atmosphäre geprägt sind. Mit dabei sind Jorinde Voigt, Mohannad Shono, Clemens Wolf, Kater D., um nur einige zu nennen. Die Jubiläumsausstellung “Welcome back!” im Kraftwerk wird nicht nur eine Zeitreise durch die künstlerische Entwicklung der letzten Jahre, sondern auch ein Fest der Freundschaft und des kreativen Austauschs.
Ebenfalls Teil des Jubiläums ist die renommierte Kunstmesse art:badgastein, zu der wir uns eine ganz besonderen Partner eingeladen haben – die POSITIONS Berlin. Mit der art:badgastein × POSITIONS wird das ehemalige Grandhotel Astoria zur Bühne für eine Kunstmesse der besonderen Art. Ausgewählte Galerien zeigen hier zeitgenössische und moderne Werke – nicht im klinisch weißen Messebau, sondern in den alten, ehrwürdigen Zimmern eines Hauses, das Geschichte atmet. Zwischen verblasstem Glamour und charmantem Verfall entfaltet sich die Kunst auf neue, überraschende Weise im filmreifen Interieur des denkmalgeschützten Gebäudes.
Außerdem widmen wir uns stärker der Architektur: Im Rahmen der sommer.frische.kunst wird auch der 100. Geburtstag des Architekten Gerhard Garstenauer gefeiert, der das Stadtbild von Bad Gastein mit seinen brutalistischen Bauten prägte. Gastein74 widmet sich seinen visionären Werken mit mehreren Ausstellungen und einer symbolischen Geburtstags-Festtafel.
Nicht zu vergessen die Ausstellung von Floor Sabelis im Radon Pavillon, die in Kooperation mit dem STRAAT Museum Amsterdam entsteht. Auch Philipp Hochmair kehrt am 4. Juli erneut mit einer Performance nach Bad Gastein zurück. Unsere Mission bleibt: Überraschen, begeistern und das Besondere suchen.
UG: Dann bleibt nur zu sagen: „See you in Bad Gastein!“ – Alles Gute für das Jubiläum, liebe Andrea!