
Schon als Jugendlicher begann Rashid Al Khalifa zu malen. Als Inspiration dienten ihm Ansichten von Bahrain, die er in hellen Farben malte. Vor allem verwendete er viele Gelbfarbtöne, die an den Sand der Wüste erinnern. Seine Szenen schildern einen Zeitabschnitt, in dem Bahrain bis 1971 britisches Protektorat (seit 1867) war. Nachdem Bahrain ein souveränes Land geworden war, wurde Al Khalifa nach England geschickt, um das Polizei- und Verwaltungswesen zu studieren. Doch nutzte er die Zeit immer mehr, um Kunst am Hastings College (Sussex, UK) und an der British Academy of Arts in London zu studieren. Zurück gekehrt nach Bahrain, malte er die ihn umgebenden Landschaften.
1984 gründete Al Khalifa mit 34 Gleichaltrigen die Bahrain Arts Society (BAS) in Manama, der Hauptstadt von Bahrain. Die Kunstgesellschaft wollte die Bildende Kunst und in Bahrain lebende Künstler fördern. Man begann, Ausstellungen zu organisieren sowie vielfältige Kurse und Workshops in Malerei, Bildhauerei, Fotografie, Töpferei, arabischer Kalligrafie und Innendesign anzubieten. Gleichzeitig nahm Al Khalifa eine verantwortliche Stellung im Ministerium für Information und Tourismus an. Trotz all seiner wachsenden Aufgaben widmete sich der Künstler seinen Landschaften. So schuf er 1987 Hunaiyniya, das die Gegend von Riffa zeigt, der zweitgrößten Stadt von Bahrain, wo der Künstler aufgewachsen ist. Es präsentiert einen Wasserbrunnen, neben dem ein »Ghaf-Baum« (Prosopis Cineraria) wächst. Es handelt sich um die gleiche Baumart, zu der auch der berühmte Lebensbaum von Bahrain gehört. Er wird auf 400 Jahre geschätzt und steht allein ohne sichtbare Quelle mitten in der Wüste. Wasser evoziert in der Wüste das Leben, und der Lebensbaum steht für die Kraft der Natur und der Fruchtbarkeit. Bahrain bedeutet so viel wie »die zwei Wasser« – bezogen auf Süß- und Salzwasser.
Kamele im Rumaitha Wadi (1989) zeigt zwei grasende Kamele in einem kleinen Tal, dessen Ende in der Ferne unklar bleibt. Ein Wadi ist auf Arabisch ein Tal, das in der Wüste meist ein trockenes Flussbett hat, das nur während kurzer, heftiger Regenfälle Wasser führt. Dann erhält ein Wadi kurzzeitig reiche Flora und Fauna. Das Leben kehrt ein, aber verschwindet auch wieder schnell. Der Wüste trotzend, stehen in diesem Bild zwei Kamele. Sie symbolisieren, dass das Leben weitergeht. Bahrain ist ein wüstenreiches Land und hat nur wenig Regen – und diesen meist im Winter. Für Bewässerung oder Trinkwasser wird nicht viel Regenwasser gespeichert, aber es gibt zahlreiche natürliche Quellen im Norden des Landes. Seit den frühen 1980er-Jahren machen lokale Entsalzungsanlagen Meerwasser für den häuslichen und industriellen Gebrauch nutzbar; sie decken etwa 60 % des täglichen Wasserverbrauchs im Land.
Bereits als Landschaftsmaler geschätzt, widmete sich der Künstler ab dem Ende der 1980er-Jahre zusätzlich dem menschlichen und insbesondere dem weiblichen Körper. Hierbei kam ihm seine Ausbildung in England zugute. In Bahrain betrachtet man den menschlichen Körper als geweiht und heilig, der Verborgenheit und Schutz braucht. Doch gerade unter diesen Voraussetzungen wollte der Künstler den menschlichen Körper – zumindest für den privaten Raum – hervorheben. Bei Reclining Nude (1989) schwebt der Rücken einer Frau. Tiefer Purpur und verschiedene Blautöne umgeben sie, während Farbkleckse sie umhüllen. Ihren Körper mit der Natur selbst gleichsetzend, rufen diese Töne jenes unvergessliche Farbenspektrum hervor, das man in Bahrain am Himmel in der sehr kurz andauernden Dämmerung anfindet. In einer Serie von Gemälden aus dem Jahr 1992 zeichnen dicke Waschungen von fleischfarbenen Tönen und wellenförmigen Farben üppige Konturen nach, die an die Täler zwischen Wüstendünen erinnern. Sinnlich und suggestiv tragen diese Werke treffend den Titel Desert–Paysage Humain. Sie erinnern an die Vergänglichkeit und Etappen des Lebens. Unsere Körper erscheinen als Mikrokosmen und lassen die inneren Landschaften unseres Bewusstseins erahnen. Für den Künstler verbindet sich unsere Persönlichkeit – Körper, Geist und Seele – mit einem Partikel unserer Welt. Alles ist miteinander verbunden und Teil eines Ganzen, zusammengehörig mit den Landschaften und Gewässern unserer Erde sowie mit der Sonne, dem Mond und dem Kosmos – es gibt also viel mehr als unsere dreidimensionale Sicht. Die Kenntnisnahme von vielen Ebenen und Tiefen erlaubt mehr Verständnis für die innere und äußere Welt.
1993 erhielt Rashid Al Khalifas Leben eine zusätzliche große Aufgabe. Er wurde im Innenministerium als Untersekretär für Pass-, Staatsangehörigkeits- und Aufenthaltsangelegenheiten verantwortlich. Diese Position forderte starke Verpflichtungen und ein komplexes Verständnis von Regierungsrichtlinien und -verfahren. Auch wurde er zum Präsidenten der Bahrain Arts Society ernannt. Viele weitere Aufgaben kamen hinzu.
In den letzten Jahren der 1990er-Jahre vertiefte sich der Künstler in die Abstraktion. Er reflektierte über seine Rückenbildnisse und fügte ihnen Verwandlungen oder Erweiterungen durch Elemente anderer Leben wie Blumen oder Meeresbewohner hinzu. Für einige Jahre führte diese Phase zu seinen biomorphen Werken. Charakteristisch für diese Periode sind seine Serien zu Metamorphosen, figurativen Landschaften und fragmentierten Abstraktionen. In Figurative Landscape II (1998) findet sich im Zentrum die Rückseite eines weiblichen Körpers oder/und zugleich eine Wüstenlandschaft. Sie wird von türkisfarbenem Wasser und anthropomorphen Formen umhüllt. Farben und Formen verwandeln sich in meerartige Formationen. Ihre Wiederholungen erinnern an Muscheln, Fischschuppen, Korallen und Algen, die an die Oberfläche steigen und sich gegenseitig aufnehmen.
Der Künstler sah seine Werke in einem laufenden Prozess mit offenem Ziel. In den 2000er-Jahren befreite er sich von seinen ehemaligen Arbeiten und setzte sich mit seinen älteren Werken auseinander. Er fing an, sie neu zu bewerten und zu malen. Um seinen Stil weiterzuentwickeln, integrierte er seine neu gewonnene Wertschätzung für eine formschönere Oberfläche – eine konvexe Leinwand, die in einem Winkel von etwa 25 Grad gespannt wurde und über die nächsten Jahrzehnte charakteristisch für seine Arbeiten wurde. Diese Änderungen verhalfen dem Künstler dazu, Erkenntnisse, Momente oder die Zeit festzuhalten. Um dies zu erreichen, begann er, Details und spezifische Oberflächenmerkmale aus seinen Werken zu entfernen und zu verwischen. Diese Methode der Eliminierung und Neuerstellung wurde ebenso wichtig wie die Geschichte und frühere Spuren, die unter der Oberfläche lagen. Die Neugestaltung wurde zu einem Mittel, durch das er die Kunst der Loslösung praktizieren konnte. Das Wiederaufgreifen früherer Kompositionen war wie das Erinnern an die Stimmung, Zeit und Atmosphäre, in der das Kunstwerk ursprünglich geschaffen wurde. Durch das Zurückkehren zu und das Überdenken seiner figurativen Arbeiten konnte er seine Landschaften neu erfinden und seine alten Leinwände neu konvex spannen. Der Künstler sah sich vor einer Herausforderung und einer Gelegenheit: sich seiner Vergangenheit zu ergeben und neue Prozesse zu beginnen.
Offensichtliche Anspielungen auf die früheren Landschaften des Künstlers, die in derselben Periode entstanden, sind in diesen tief atmosphärischen Arbeiten zu erkennen. Immer wieder griff er seinen Landschaftsstil auf. Dieser erwies sich als ein wesentliches Werkzeug zur Dokumentation und als Basis für weitere Inspiration. Dagegen dienten seine konvexen Arbeiten dazu, einen Gesamteffekt zu erzielen. Der Wechsel zwischen diesen unterschiedlichen Ansätzen spiegelte sein eigenes Leben wider, verschiedene Rollen je nach Menschen und Aufgabe einzunehmen. Durch das jahrzehntelange Studium seiner Umgebung – Licht, Farbe, Umwelt, Symbolik – fand er seine kreative Freiheit, nach der er sich sehnte. Ähnlich den Momenten unmittelbar vor einem Sturm ist Inspired by Hafeera Plain (2006) mit elektrisierender Energie geladen, die durch dynamische Pinselstriche unterstrichen wird.
Beherrschend wirbeln reiche türkisfarbene Töne wie Ozeanwellen. Und in der Ferne, jenseits des aufkommenden Gewitters, lädt ein Majlis den Betrachter ein – ein arabisches Wort für »Rat«, abgeleitet vom Verb »sitzen«, ist das Majlis der traditionelle Versammlungsraum oder Wohnsalon für Gäste, sei es in einem Privathaus oder öffentlichen Gebäude. Diese Räume findet man in allen arabischen Ländern. Ein solches Majlis steht schützend und einladend unter einem stürmischen Himmel, während die Sonne untergeht. Ein aufkommendes rosa Licht durchdringt die Wolken mit einer fast beharrlichen Leuchtkraft über die Landschaft.
Above the Ocean II (2009) dokumentiert die vollzogene Abstraktion und den Wandel zu einer viel dunkleren Farbpalette, bei der weichere Töne durch Kohlefarben und Schwarz ersetzt werden. So lässt sich der Vordergrund vom Hintergrund unterscheiden, die konvexe Krümmung der Leinwand bestens nutzen und es lassen sich Gefühle ausdrücken, die sich sehr von seinen früheren Werken unterschieden. Aus diesen tiefdunklen und schattigen Räumen heraus verschmelzen Farbstrudel zu luftigen Visualisierungen von Stürmen und flackernden Erscheinungen. Diese aufsteigende Perspektive erscheint wie ein Blick aus der Stratosphäre, wobei die relative Dunkelheit Al Khalifas Schritt zu einem weitaus rätselhafteren und minimalistischeren Stil darstellt – Licht wird durch das Fehlen von Farbe verursacht.
Um andere Materialien in ihrer Oberflächenstruktur, in ihrer Haltbarkeit sowie ihrer Elastizität zu erfahren, begann der Künstler mit robusteren Materialien zu arbeiten, vor allem mit Aluminium. Sein geringes Gewicht und seine reflektierenden Eigenschaften waren sehr interessant. Emailfarbe erwies sich als ergiebige Wahl, weil sie gut an Aluminium haftet und dessen Oberfläche empfänglich macht. Was einst Stoff und Kleber war, der auf eine dunkle, matte Leinwand aufgetragen wurde, wurde zu einer Lackiertechnik, die absichtlich und sorgfältig über eine glänzende und makellose Aluminiumoberfläche getropft wurde. Das reichlich vorhandene Aluminium trieb den Künstler in eine neue Richtung. Bahrain ist einer der größten Aluminiumproduzenten der Welt. Die einzigartigen Eigenschaften dieses leicht recycelbaren Materials bieten endlose Möglichkeiten zur Formgebung, die die Kreativität des Künstlers herausforderten.
Das Zentrum von Black with Red Circle (2010) bildet ein roter Kreis, dessen Farbton der Intensität von Bahrains untergehender Sonne ähnelt. Zarte schwarze Farbtropfen schweben wie ein Schleier über der perfekten roten Formation; präzise platziert und ununterscheidbar, wo diese Spuren beginnen und enden. Solche Farbaufträge waren ein meditativer Prozess, der den Künstler zwang, mögliche Ungenauigkeiten oder Unvollkommenheiten zu akzeptieren. Diese bewusste Anordnung der Komposition spiegelte Al Khalifas Wunsch wider, neue Ordnung zu schaffen – aber auch, diese auf derselben Bildfläche mit Nonkonformität zu ergänzen. Diese Dualität betrachtete er als ein Mittel, um einen erneuerten Zustand des Gleichgewichts zu erreichen.
Weiterhin spielt dieses Werk auf Ideale der japanischen Ästhetik an, wie Yūgen (tiefe Anmut und Subtilität), Sabi (natürliche Patina und Alterung) und Wabi (vergängliche und schlichte Schönheit). Die Dunkelheit assoziiert die Nacht, die Mystik einer Stadt, die Geheimnisse eines verschleierten Gesichts und eines umhüllten Körpers oder die beschatteten Ränder eines neuen Mondes.
Symmetrie charakterisiert seit Langem seine Werke. Sie gibt ihm ein emotionales Gleichgewicht und Klarheit und steht im Gegensatz zu seinen vielfältigen Rollen im öffentlichen Leben. Keine Form könnte dieses Bedürfnis besser erfüllen als die Einfachheit eines Kreises. Der Kreis symbolisiert Zeitlosigkeit und Reinheit. Als Sinnbild für immer wiederkehrende Momente im Leben wird der Kreis für Al Khalifa ein zentrales Element. Die Auseinandersetzung verhalf dem Künstler zur Meditation. Zudem steht der Kreis für die Sonne, den Mond und den Kosmos. Werke wie Both Sides of the Moon II (2012) greifen auf Mystik, Gelassenheit, Kraft und Führung zurück. Beim Mond ist die helle Seite immer der Erde zugewandt, während die andere, die dunkle Seite, verborgen bleibt – ähnlich wie unser eigenes Unterbewusstsein. Die Darstellung beider Seiten unterstreicht die Suche nach Kraft und Stabilität in der Zweigliedrigkeit unserer Existenz, insbesondere in einer schnelllebigen und sich verändernden Welt.
Der Kreis veranlasste den Künstler, Makellosigkeit und Präzision darzustellen. Sie führten zum Ausbau des Minimalismus. Er vereinfachte die Formen und suggerierte Frieden und Zufriedenheit. Spiegelnde Oberflächen verschwanden. Der Gebrauch von Aluminium gab stabile Oberflächen, auf die er seine matten Emailfarben auftragen konnte. So entstanden glatte und makellose Formen, die Gleichgewichte zwischen positiven und negativen Räumen anboten.
*Grey on Grey* (2015) betont die Entfernung von Details und konzentriert sich auf eine einzelne, neutrale Farbe, die Polaritäten verkörpert und vereint – eine perfekte Mischung aus Schwarz und Weiß. Diese Strenge ermöglichte dem Künstler, in noch größerem Maße zu untersuchen, wie die subtile Beziehung zwischen zwei Aluminiumschichten das resultierende Werk signifikant beeinflussen kann. Frei von jeglicher farblicher und visueller Ablenkung wirft die Reinheit und Einfachheit der Form einen subtilen Schatten – abhängig vom vorbeiziehenden Licht über seine Oberfläche und vom Blickwinkel, aus dem es wahrgenommen wird. Die Befreiung von Details und Bewegungen erleichtert unsere Sicht und Entscheidungsfindung; sie erweitert unser Bewusstsein und vertieft unser eigenes Leben. Diese Reihe stellt Al Khalifas persönliche Antwort auf die Rauheit und das Chaos des urbanen Lebens und die vielen Formalitäten und Erwartungen seiner eigenen royalen Position dar.
Rasante urbane und architektonische Entwicklungen in der Golfregion inspirierten die Werke der letzten zehn Jahre. Die technischen und politischen Prozesse, die mit der Gestaltung der Landnutzung und der bebauten Umwelt verbunden sind, haben sich stark verändert. Bahrains Silhouette zeigt den radikalen Wandel mit vielen Bauvorhaben. Al Khalifa spielte eine entscheidende und formale Rolle bei der Fertigstellung bestimmter Projekte. Ihm wurden Schlüsselarchitekturprojekte anvertraut – von ihrer Konzeption über ihre Leitung bis hin zur Überwachung der Fertigstellung. Solche Verantwortung erfordert Geduld, Ausdauer, Innovation und Einfallsreichtum. Die Einfachheit und Symmetrie seiner Werke halfen, die Kontraste und Widersprüche des täglichen Lebens auszugleichen. Ruhe und Frieden beherrschen seine Werke. Die glatte und ruhige Krümmung von *Tectonics I* (2016) erinnert an die Wüstendünen, das blaue Meer und die kurvenreiche zeitgenössische Golfarchitektur.
Al Khalifas *Mobile-Columns*-Reihe sieht wie skulpturale Blaupausen aus, die im Raum schweben und in der Zeit verweilen – ähnlich wie computergenerierte Architekturmodelle. Werke wie *Mobile Column I* (2018) deuten auch auf die Verbundenheit urbaner Räume hin. Seine mathematisch geplante Zusammenstellung grundlegender architektonischer Elemente ergibt eine bemerkenswerte Komposition, bei der innere und äußere Räume und Perspektiven ineinandergreifen, einander einschließen und unterstützen. Beeinflusst von den engen, verwinkelten Gassen des alten Bahrains ehrt *Maze* (Labyrinth, 2018) das weitläufige Netz versteckter Straßen und die traditionellen Häuser und Dörfer. Das gitterartige Gerüst von Trennwänden, das diese gesamte Struktur bildet, integriert bunte Falten, die zufällig über bestimmte Abschnitte des Gitters positioniert sind. Beim Durchgehen dieser interaktiven Struktur ist der Betrachter sowohl innerhalb als auch außerhalb ihres Inneren und Äußeren. *Maze* vereinigt Klänge, Farben, Bewegungen und sanfte Schatten der traditionellen Architekturen.
Um Netzmuster zu generieren, bestehen auch seine parametrischen Arbeiten aus gewundenen und verflochtenen Aluminiumstreifen. So gelang es dem Künstler, Ordnung und Symmetrie auszudrücken und Werke zu schaffen, die sich mit ihrer Umgebung verschieben und transformieren. Er manipuliert damit komplexe Geometrien und Strukturen. Seine reine weiße Oberfläche fließt bei *White Parametric I* (2018) wie ein anmutiger Gittervorhang. Präzise sich wiederholende weiße Rillen ergeben ein größeres Netz, das bewusst variable Schatten über eine mehrdimensionale *Mashrabiya* (arabisches Gitternetz) erzeugt. Bei *Multicolored Parametric Wave* (2018) werfen Wellungen kleinere Schatten, und ihre Tiefe wechselt systematisch über die gesamte Oberfläche, wodurch eine beeindruckende Illusion von Bewegung und Körperlichkeit entsteht. Augenbewegungen des Betrachters lassen neben den reellen großen Wellen auch kleine Wellenbewegungen entstehen, die je nach Blickwinkel neue entdecken oder verschwimmen lassen.
Im Dezember 2023 war Rashid Al Khalifa eingeladen, ein Werk bei den berühmten Pyramiden von Gizeh im Rahmen der von Nadine Abdel Ghaffar kuratierten Open-Air-Ausstellung *Forever Is Now* aufzustellen. Die Ausstellung zielt darauf ab, Verbindungen zwischen der Antike und der Moderne herzustellen. Al Khalifas *Fragmente eines Labyrinths* sollen das Geheimnis und die Faszination sowohl antiker als auch futuristischer Artefakte hervorrufen. Sein Monument besteht aus fragmentierten, labyrinthischen Strukturen, die aus verschiedenen Winkeln aus dem Boden ragen. Die Objekte sind aus Kupfer und Messing gefertigt, die im Laufe der Zeit schön oxidieren. Sie werfen komplexe Schatten, die mit dem Licht spielen und den Besuchern ein fesselndes visuelles Erlebnis bieten. Die auf diesen Fragmenten eingravierten Motive stammen aus dem Diagramm des ägyptischen Labyrinths, das der Jesuitengelehrte Athanasius Kircher in seinem Buch *Turris Babel* (1679) vorstellte. Gleichzeitig erinnert die Verwendung von großen Blöcken an steinzeitliche Rundbauten wie Göbekli Tepe in der Südosttürkei (um 9000 v. Chr.) oder Stonehenge, das vor allem im Laufe des 3. Jahrtausends v. Chr. in verschiedenen Phasen bisweilen zeitgleich zu den Pyramiden erbaut worden ist. Die Installation regt zu Reflexionen über Zeit, Entdeckung und die Verschmelzung von Altem und Neuem an.
Die Werke von Rashid Al Khalifa sind Zeugnisse der eigenen und der kollektiven Identität, der Tradition und der Gedankenwelt. Sie sind Dokumente der letzten Jahrzehnte in einer Region, die einen rasanten Aufschwung erlebt hat. Seine Kunstwerke verbinden die Vergangenheit und Gegenwart mit der Zukunft.
Autor: RAINER VOLLKOMMER ist Archäologe, Kunsthistoriker, Consultant for Culture und Honorarprofessor (TU Dresden). Er studierte in München, Paris (M.A.) und Oxford (Dr. Phil.), arbeitete beim LIMC/UNESCO in Basel, lehrte an 5 Universitäten, leitete das Landesmuseum für Vorgeschichte Dresden und das Liechtensteinische Landesmuseum, organisierte über 150 Ausstellungen (oft selbst kuratiert) mit über 40 Ländern.
Austellung
RASHID AL KHALIFA
"Shades of White"
bis zum 31. Mai 2025
MARIO MAURONER CONTEMPORARY ART
Residenzplatz 1
A-5020 Salzburg


